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Ensemble Leones
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Die Quinterne

Die Aufnahme "Les fantaisies de Josquin" enthält als Track 31 (Bonus-Track) die Ersteinspielung der Komposition "Sei gelobt, du Baum" für Bariton, Violine, Quinterne und Kontrabaß von Arvo Pärt (2007). Wie es zu dieser außergewöhnlichen Besetzung der Komposition, zum Liedtext und zur Ersteinspielung von Ensemble Leones kam, ist im folgenden kurz zusammengefaßt. Alles ging los mit einem uralten Stück Holz...

 

Zum alten Holz

Das Stück Holz einer Weißtanne (Albies alba) kam 1962 auf dem Weingut Tschäpperli der Familie von Blarer in Aesch (CH) ans Tageslicht. Zufällig stieß man bei der Suche nach Wasser in zwei bis drei Metern Tiefe auf den Holzstamm. 2001 wurde das seitdem aufbewahrte und in Vergessenheit geratene Stück Holz im Weingut zum zweiten Mal entdeckt: Die Schreinerin Margareta von Blarer fand den Stammabschnitt im dortigen Keller ihrer Eltern. Als Musikerin mit Zusatzausbildung im Orgelbau erkannte sie, daß es sich zum Instrumentenbau eignen könnte, da es astlos, gerade und feinjährig gewachsen war. Margaretas Bruder Dieter von Blarer und seine Frau Steffi Wirth finanzierten daraufhin den Bau einer Barockvioline unter Verwendung des alten Holzes. Die Musikinstrumentensammlung in der Stadtmühle Willisau konnte dank eines geschenkten Stücks des Holzes die Decke einer Quinterne bauen lassen. Nach dendrochonologischer Untersuchung, vermittelt durch Bruno Kaufmann (Aesch, CH) und einer C14-Analyse an der ETH Zürich, ist die damals schon 200-jährige Weißtanne im Sommer 317 vor Christus gefallen. Wahrscheinlich wurde sie bei einem Erdrutsch mit Lehm überdeckt und so konserviert.

Die Barockvioline wurde von Ruedi Isler (Zürich und Ennenda, CH) gebaut. Neben dem alten Tannenholz, das für die Decke des Instrumentes verwendet wurde, sind Zargen und Boden der Violine aus Ahornholz gefertigt.

Die Quinterne wurde von Richard Earle (Basel, CH) angefertigt, der auch die meisten Streichinstrumente von Ensemble Leones gebaut hat. Neben dem besonderen Tannenholz für die Decke, verwendete er für den Korpus ein Stück zweihundertjähriges Kirschbaumholz, das ebenfalls aus Basel Landschaft stammt. Der Korpus mit Hals und Kopf wurde aus diesem einen Stück Holz herausgeformt. Die Decke aus uraltem Tannenholz hat eine eigentümliche und sehr reizvolle, grünliche Einfärbung aufgrund der langen, unterirdischen Lagerung.

 

Wie es zu Bau und Einsatz der Quinterne und zu einem Treffen mit Arvo Pärt kam

Zunächst hatte Adrian Steger den Bau einer Laute für die Instrumentensammlung im Auge. Der beauftragte Instrumentenbauer Richard Earle (Basel, CH) jedoch meldete Bedenken an, ob ein aufgeleimter Lautensteg auf der Decke halten würde, da man die Eigenschaften dieses antiken Holzes noch nicht einschätzen könnte. Daher schlug er den Bau eines Instrumentes vor, bei dem der Steg nur aufliegt und durch die darüberlaufenden Saiten festgehalten wird: eine Quinterne. Da für die genauen Parameter des Instrumentes (Form, Anzahl der Chöre, Art der Besaitung, Stimmung, Mensur) der Rat eines Praktikers gefragt war, empfahl Earle, sich an Marc Lewon zu wenden. Steger nahm den Kontakt auf, und so begann die Zusammenarbeit. Marc Lewon schlug die genannten Parameter vor, nach denen das Instrument letztendlich gebaut wurde, er begleitete den Bauvorgang, besaitete anschließend die Quinterne und spielte sie auf Wunsch Stegers für einige Monate ein. Vor der Übergabe spielte Lewon das erste Konzert auf der Quinterne mit Ensemble Leones im Konzertsaal der Instrumentensammlung Willisau.

Die estnische Dichterin Viivi Luik, die einen einjährigen Arbeitsaufenthalt in der Instrumentensammlung Willisau verbrachte, hatte den Werdegang der Instrumente und die Geschichte um das alte Holz dort mitbekommen. Über sie erfuhr Arvo Pärt von dieser Sache und sie schrieb schließlich auch den Text für das Stück "Sei gelobt, du Baum", der sich auf den Holzfund bezieht.

Als sich abzeichnete, daß Arvo Pärt eine Komposition für die beiden Instrumente (Violine und Quinterne) anfertigen würde, war eine Einführung für den Komponisten gefragt, denn die Quinterne als Instrument war Pärt bislang nicht bekannt. Im Dezember 2007 wurde Marc Lewon nach Bern eingeladen, um Arvo Pärt die Funktionsweise der Quinterne, ihre Eigenschaften und Charakteristika zu erläutern und gemeinsam Einsatzmöglichkeiten zu besprechen.

Nachdem das Werk komponiert und in Willisau uraufgeführt wurde, ergab sich die Gelegenheit der Ersteinspielung durch Ensemble Leones. Somit gelangte die Komposition "Sei gelobt, du Baum" als Bonus-Track auf die vorliegende Josquin-CD. Der Tonmeister der CD, Charles Suter, war übrigens auch der Tonmeister beim Live-Mitschnitt der Uraufführung des Werks.

Da sich die Klangwelt Arvo Pärts gut in das Klangbild der Josquin-Einspielung einfügt und Sänger sowie zwei der Instrumente sowohl hier als auch dort zu hören sind, bot es sich an, den Gegenwartsbezug über dieses Stück Pärts herzustellen. Dieses Konzept wird auch für zukünftige Einspielungen beibehalten - eine nächste CD, dann zum Instrumentalwerk Alexander Agricolas, wird ebenfalls zeitgenössische Kompositionen für historische Instrumente enthalten, eigens für Ensemble Leones komponiert von Fabrice Fitch (UK).

 

Arvo Pärt zu seinem Stück

"Die Inspiration zu "Sei gelobt, du Baum" hatte drei Wurzeln. Die erste war die unglaubliche, ja beinahe unwahrscheinliche Geschichte eines uralten Holzstückes. Dann begegnete mir ein wunderschönes Gedicht von einer bedeutenden estnischen Dichterin, Viivi Luik. Und zu guter Letzt die brennende Begeisterung und der Eifer von Adrian Steger, der das legendäre Holzstück dann in ein Musikinstrument verwandelt hat." (Arvo Pärt, Februar 2009)

 

"Es klingt alles sehr schön!" (Arvo Pärt zu den Probeaufnahmen von "Sei gelobt, du Baum" mit Ensemble Leones, Februar 2010)

 

"Lieber Herr Marc Lewon, es ist eine wunderschöne Produktion!!! Herzlichen Dank an alle Musiker. Arvo Pärt" (Reaktion von Arvo Pärt auf die fertige CD im Juni 2011)

 

Link zur Musikinstrumentensammlung Willisau.

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